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Wasser als Wirtschaftsgut

Das Blaue Gold

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Als ich begann, diesen Artikel zu schreiben, hatte ich meinen Großvater und seinen sparsamen Umgang mit Wasser vor Augen. Ich wuchs in einem nordhessischen Dorf auf, wir hatten im gesamten Haus nur einen Wasserhahn. Mein Großvater machte sich zum Händewaschen kurz die Hände feucht, drehte den Wasserhahn ab, seifte sich ein und spülte dann die Hände ab. Jeder Tropfen Wasser war kostbar!

Wenn ein ehemals öffentliches Gut als Ware gehandelt wird

Sauberes Süßwasser ist die Grundlage jeglicher irdischer Existenz. Jahrtausende lang wurde Wasser als Gemeinschaftsgut behandelt und genutzt. Kommunen belieferten ihre Bürger mit Wasser und nahmen dafür Gebühren. Es war das Recht jedes Bürgers, mit Wasser versorgt zu werden. Die Bereitstellung mit Wasser wurde auf lokaler und regionaler Ebene verhandelt, kontrolliert und sichergestellt. Der Magazin-Beitrag beschreibt, welche Konsequenzen die zunehmende Kommerzialisierung der Ressource Wasser hat.

Öffentliche Daseinsfürsorge versus Neoliberale Ideologie

Der Grundpfeiler von öffentlicher Alleinverantwortung für die Wasserversorgung wurde im Zuge der neoliberalen Privatisierungs- und Globalisierungsideologie und deren Umsetzung Anfang der 90-ziger Jahre zerstört. Die Prinzipien des sogenannten „Washington Consensus“ wurden durchgesetzt. Es handelt sich hierbei um ein Wirtschaftsmodell, das die freie Marktwirtschaft ohne staatliche Eingriffe und Regulationen propagiert und dies als allein mögliche Form des Wirtschaftens darstellt. Ein zentraler Punkt dieses Konsenses ist die Vermarktung der Gemeinschaftsgüter. Alle Bereiche des Lebens stehen zum Verkauf, selbst Sozial- und Krankendienste, Gefängnisse, Bildungs- und Erziehungseinrichtungen und natürlichen Ressourcen, die bislang als gemeinsames Erbe der Menschheit galten. Wie in einem Brennglas fokussiert die Frage der Wasserversorgung die allgemeine Bedeutung der Gemeinwohlsicherung. Zum ersten Mal wurde Wasser als Wirtschaftsgut auf der Internationalen Konferenz für Wasser und Umwelt in Dublin 1992 definiert und konstatiert, dass „Wasser in seinen verschiedenen Verwendungsformen einen wirtschaftlichen Wert hat, und dass es daher als Wirtschaftsgut angesehen werden sollte“. Seit dieser Zeit wird um die Entscheidung gerungen: Ist der Zugang zu Wasser ein Bedürfnis oder ist er ein Menschenrecht, auf dessen Einhaltung jeder Mensch einen Anspruch hat? Dies ist nur scheinbar eine rhetorische Frage. Denn ein Menschenrecht ist nicht handelbar, Regierungen sind dazu verpflichtet, für deren Einhaltung einzustehen. Doch ein Bedürfnis ist handelbar, jede Person kann sich die Erfüllung des Bedürfnisses nach Wasser mit Geld erkaufen. Doch diese immens wichtige und grundsätzliche Frage nach Menschenrecht oder Handelsgut wurde, von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, längst entschieden. Auf dem Weltwasserforum 2000 in Den Haag wurde beschlossen, dass Wasser als Bedürfnis angesehen wird und damit als Ware gehandelt wird, wie jedes andere Wirtschaftsgut. Bezeichnenderweise wurde die große Konferenz von internationalen Konzernen gesponsert, parallel dazu fand eine Ministerkonferenz von 172 Staaten statt, die die von den Experten der internationalen Unternehmen formulierten Entschließungen absegneten.

Von der kommunalen Wasserversorgung zum „Blauen Gold“

Mit dieser Konferenz wurde der Privatisierung der lebensnotwendigen Ressource der Weg geebnet. Ein halbes Dutzend multinationaler Konzerne wie Suez, Veolia, Nestle, EON etc. kämpfen seitdem um die knapper werdenden Wasservorräte und sind mit großen Investitionen in das Geschäft mit dem „Blauen Gold“ eingestiegen. Die Benennung von Wasser als Blauem Gold deutet auf die Aufbruchsstimmung bei den großen Konzernen in Bezug auf mögliche Gewinne, Wasser lässt sich in ihren Augen zu Gold machen. Oder anders interpretiert: Wasser wird ein kostbares und knappes Gut. Die Privatisierung habe folgende positive Konsequenzen, argumentieren deren Befürworter: Unternehmen arbeiten effizienter als öffentliche Monopole und privatwirtschaftliche Initiative würde gefördert. Der Wasserverschwendung werde durch angemessene Wasserpreise ein Riegel vorgeschoben. Die Gegner bringen folgende Argumente in die Diskussion: Die Preise für Wasser werden steigen und die Qualität der Wasserversorgung werde sinken, da die Unternehmen auf Profitmaximierung abzielen. Wie sieht nun die Bestandsaufnahme der Situation aus? In vielen Ländern übernehmen die oben genannten Unternehmen von finanziell angeschlagenen Kommunen die Wasserversorgung. Die Weltbank und der internationale Währungsfonds assistieren dabei, indem sie Schuldnerländer zur Privatisierung ihrer Wasserversorger zwingen. Unter dem Druck dieser beiden Institutionen, staatliche Einnahmen zur Schuldentilgung zu erwirtschaften, verkaufen Länder wie Indien, Kenia, Bolivien, Peru und viele andere Wasserrechte an weltweit operierende Wasserkonzerne und große Industrieunternehmen. Zwei der größten international agierenden Wasserkonzerne sind Veolia und Suez, beide mit Sitz in Frankreich. Auf der Rangliste aller großen multinationalen Konzerne von Global Fortune 500 für 2012 steht Suez auf Platz 33 (2001 auf Platz 99!) und Veolia auf Platz 202. Allein diese beiden Gesellschaften beherrschen durch Mehrheitsbeteiligungen an Wasserbetrieben die Wasserversorgung in ca. 130 Ländern und beliefern mehr als 200 Millionen Menschen mit Wasser. Kritische Filmemacher und Journalisten, die über die Praktiken und Verflechtungen dieser Konzerne mit der Politik berichten, bekommen die Macht dieser beiden gewaltigen Wirtschaftsunternehmen zu spüren. So sollte 2011 die Ausstrahlung des Films „Water makes money“ im Programm des Senders arte verhindert werden. Die Konsequenzen dieser Politik sind besorgniserregend. In vielen Ländern des Südens und in einigen privatisierungsgeneigten Ländern Europas wie Frankreich steigen Tarife für Wasser, Qualitätskontrollen werden vernachlässigt und Investitionen in den Unterhalt der Wasserleitungssysteme werden minimiert. Das Fachwissen, nötig zur Kontrolle der privatisierten Dienstleistung Wasserversorgung, geht schleichend verloren. Die Fachleute wandern zu den Konzernen ab, öffentliche Stellen zur Kontrolle werden ausgedünnt oder geraten, wie in Frankreich dokumentiert, unter Druck, beschönigende Qualitätszertifikate für die privaten Wasserversorgungsbetriebe auszustellen. Kunden, die die gestiegenen Preise nicht mehr bezahlen können, wird der Wasserhahn zugedreht, ja ganze Stadtviertel wie in Nairobi werden von der Wasserversorgung abgeschnitten. Die Konzerne dagegen verzeichnen hohe Gewinne.

Blaues Gold in Flaschen

Sehr vielversprechend ist auch der Handel mit Trinkwasser in Flaschen. 90 Milliarden Liter wurden im Jahr 2010 abgefüllt. In Europa sowie in Süd- und Nordamerika werden pro Kopf und Jahr etwa 150 l Flaschenwasser konsumiert, im Rest der Welt ca. 24 l. Kritiker, des stark gewachsenen Konsums von Flaschenwasser sprechen vom besten Marketingtrick aller Zeiten. Denn z.B. in Deutschland sei das Trinkwasser aus der Leitung besser kontrolliert als abgefülltes Flaschenwasser, da die Trinkwasserverordnung mehr kontrollierte Grenzwerte habe als die Mineral- und Tafelwasserverordnung. Das Wasser aus Flaschen ist rund hundertmal teurer als Kranwasser. In einer Wasserverkostung in London durch ausgewiesene professionelle Weinverkoster wurden keine großartigen Geschmacksunterschiede festgestellt, ja einige zogen das gefilterte Themsewasser einem neuseeländischen Bergquellwasser vor.
Die marktbeherrschenden Konzerne in diesem Segment sind Danone, Nestle, Coca Cola, Unilever und Pepsi. Am Beispiel des Nestle-Konzerns, der mittlerweile zum größten Wasserabfüller der Welt geworden ist, lässt sich die Methode aufzeigen, nach der die Konzerne vorgehen. Es werden bestehende Wasserfirmen weltweit aufgekauft; so hat Nestle in den letzten Jahren 71 Firmen wie Vittel, Perrier, Henniez erworben. Weltweit werden kostengünstig und langfristig Grundstücke mit Quellen und Bohrrechten gekauft und Abfüllanlagen errichtet. Diese Kommerzialisierung geht meistens einher mit der Bildung von Preis bestimmenden Oligopolen oder Monopolen bezüglich des Wasserhandels in gewissen Regionen oder Ländern. Andere schwerwiegende Konsequenzen sind zu beobachten. Im südindischen Plachimida pumpte Coca Cola hunderttausende Liter Trinkwasser ab und füllte damit Flaschen. Die Brunnen in der Region, meist einzige Quelle für Trinkwasser und Wasser für Gartenbau/Landwirtschaft, fielen trocken. Nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung musste Nestle den Betrieb der Abfüllanlage einstellen. Ein ähnlicher Fall wird aus Pakistan mit dem Unternehmen Nestle berichtet. Gut, dass diese Missstände aufgedeckt, in einen ursächlichen Zusammenhang (Wasserentnahme und Trockenfallen der Brunnen) gebracht und die Wasserfabriken stillgelegt wurden. Aber der Schaden ist langfristig, da sich das Grundwasser erst in Jahren und Jahrzehnten wieder auffüllt. Wer versorgt die Bevölkerung zwischenzeitlich mit Wasser? In den Berichten über diese Ereignisse war keine Rede von Entschädigungen seitens der Verursacher der Wasserkrise. Maude Marlow, UN Sonderberichterstatterin für Wasser und Trägerin des Alternativen Nobelpreises, kommentiert die Vorgehensweise der Konzerne angesichts der Tatsache, dass mehr Kinder an schlechtem Trinkwasser sterben als an AIDS, Kriegen oder Tropenkrankheiten, sehr harsch: „Wenn ein Unternehmen wie Nestle kommt und sagt „Pure Life“ ist die Antwort und mit dieser Marke der Bevölkerung eigenes Grundwasser für viel Geld verkauft und behauptet, dass ihr Brunnenwasser nicht trinkbar ist, dann ist das mehr als verantwortungslos, das ist ein krimineller Akt“. Heute ist Pure Life das zweiterfolgreichste Flaschenwasser der Welt, nach Aqua von Danone. Anlageberater empfehlen mittlerweile Investitionen in Flaschenwasser. In Ländern wie China, Thailand, Indonesien, Mexico, Brasilien liegen die Zuwachsraten pro Jahr beim Absatz von Flaschenwasser über Jahre hinweg zwischen 6 und 12%.

Ungleiche Verteilung der globalen Wasservorräte

Ein Blick auf eine Wasserweltkarte zeigt die ungleiche Verteilung der Süßwasservorräte auf unserem Planeten. In Asien leben 60 % der Weltbevölkerung, aber dort befinden sich nur 39 % der weltweiten Reserven an Süßwasser. Südamerika, mit einem Anteil von 6 % an der globalen Population, verfügt über 26 % des Süßwassers. China mit einem Anteil von 20% an der Weltbevölkerung verfügt nur über 7% der globalen Wasserreserven. Diese interkontinentalen, aber auch interregionalen Unterschiede der Wasserverfügbarkeit und des Wasserverbrauchs führen zu Ausgleichsmechanismen, aber auch zu Konflikten. Der internationale Handel mit Wasser findet in unterschiedlicher Intensität statt. Einige wasserreiche Staaten wie Kanada erlauben den Export von Wasser nicht. Andere Staaten kommerzialisieren die Ressource: die Türkei beliefert Nord-Zypern und Israel, Malaysia versorgt Singapur. Es bestehen Pläne, diesen bereits bestehenden transnationalen Handel mit Wasser auszuweiten und Wasser in Supertankern oder in riesigen Wassersäcken über Wasser oder in Pipelines über Land von Überschussregionen in Defizitregionen zu transportieren. Der Vizedirektor der Weltbank prognostizierte, dass die Kriege des 21. Jahrhunderts um Wasser geführt werden. Noch ist es nicht soweit, aber die Prognosen über die Verfügbarkeit der Süßwasserreserven der Welt zeichnen ein dramatisches Bild (Barlow/Clarke, S. 9): „Wenn wir unseren Umgang mit diesem lebenswichtigen Gut nicht ändern, werden innerhalb des nächsten Vierteljahrhunderts die Hälfte bis zwei Drittel der Menschheit unter einem gravierenden Mangel an Süßwasser zu leiden haben.“ Die Videoaufzeichnungen einer Kabinettssitzung des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mursi aus dem Jahr 2012, mit denen Kriegsdrohungen eines ägyptischen Ministers gegen Äthiopien belegt werden, sind ein Indiz für die Brisanz der Wasserfrage. Äthiopien will am Oberlauf des Blauen Nils den größten Staudamm Afrikas errichten und Ägypten fürchtet die Kappung seiner Lebensader, des Nils.

Handel mit virtuellem Wasser

Eine andere Facette des globalen Handels mit Wasser ist, dass nicht nur reales Wasser in Schiffen, Plastikcontainern, Flaschen oder Pipelines transportiert wird, sondern auch virtuell gehandelt wird. Was ist damit gemeint? Industrie und Landwirtschaft benötigen Wasser, um Industriegüter, Nahrungsmittel und agrarische Rohstoffe herzustellen. Dieses Wasser, das zur Herstellung von Produkten benötigt wird, wird virtuelles Wasser genannt. Die Industrie benutzt Wasser zur Kühlung von Kraftwerken, zum Auswaschen von Mineralien, zur Gewinnung von Öl aus Ölschiefer etc. Für die agrarische Erzeugung ist Wasser einer der wichtigsten Produktionsfaktoren, es wird in der Bewässerung eingesetzt und durch Pflanzen verdunstet. Dieses Wasser ist in dem Endprodukt nicht mehr enthalten, umfasst aber alles Wasser, das bis zur Fertigstellung des Endprodukts verbraucht wurde. Daher der Begriff virtuell, also nicht mehr in der Wirklichkeit des Produktes vorhanden. Zur Produktion von Kaffeebohnen für eine Tasse Kaffee werden 140 l Wasser gebraucht, für den Anbau von einem kg Weizen 1.400 l. Für die Produktion von einem kg Rindfleisch, erzeugt in industriellen Mastgroßbetrieben („Feedlots“) mit Maisfutter, werden 14.000 l Wasser verbraucht. Dies ist eine Messgröße, um virtuelles Wasser zu bestimmen. Eine andere Messgröße ist der sogenannte Wasser-Fußabdruck. Dieser bestimmt das Gesamtvolumen an Süßwasser, das für die Produktion von Dienstleistungen und Gütern eines Landes gebraucht wird. Dieser Fußabdruck ist ein Maßstab für die Aneignung der Süßwasserbestände durch wirtschaftliche Produktion und Konsum. Der Wasser-Fußabdruck gehört zur Familie der ökologischen Fußabdrücke, die verschiedene Dimensionen der Nachhaltigkeit von globalem, nationalem und lokalem Wirtschaften aufzeigen. Der Wasser-Fußabdruck eines Deutschen beträgt 1540 Kubikmeter Wasser pro Jahr. Über 50 % dieses Wassers wird außerhalb Deutschlands verbraucht, ist also virtuelles Wasser. Der Weltdurchschnitt liegt bei 1243 Kubikmetern. Durch den Import von Kaffee, Kakao, Baumwolle, Soja für die Tierproduktion und Fleisch steigt der Wasserverbrauch in Deutschland, auch wenn durch die Einführung Wasser sparender Technologien der direkte Wasserverbrauch sinkt.

Widerstand formiert sich

Aber es gibt auch Widerstand gegen die oben skizzierten Entwicklungen. Städte erringen Souveränität über ihre kommunale Wasserversorgung wieder, z.B. Cochabamba in Bolivien, Grenoble in Frankreich, Stuttgart in Deutschland. Es gibt Protestbewegungen wie „Right to Water“ und politische Initiativen, z.B. Blue Planet oder das Internationale Forum für Globalisierung, in denen sich Bürger das Recht zur Bestimmung über ihre Wasserversorgung zurückholen. Ihr Credo ist, dass die Versorgung mit sauberem Süßwasser keine Ware ist, sondern ein Menschenrecht darstellt, auf dessen Erfüllung jeder Mensch an jedem Ort auf diesem Planeten einen Anspruch hat.

Autor: Dr. Richard Preissler ist Agrarökonom und promovierter Politologe. Er hat viele Jahre in Afrika als Berater in ländlichen Entwicklungsprojekten und Sozialprojekten im Bereich HIV/AIDS gearbeitet. Zur Zeit ist er freiberuflicher Gutachter und arbeitet zu Fragen der Nachhaltigkeit von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit insbesondere in den Bereichen landwirtschaftliche Produktion, Ernährungssicherung und Klimawandel.

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Kein Trinkwasser. Foto: Joachim S. Müller (CC)

UN-Wasserdekade

Für den Zeitraum 2005 bis 2015 haben die Vereinten Nationen eine Wasserdekade "water for life" ausgerufen. Die Arbeit von UN-Water besteht in der Koordination und Unterstützung von über zwanzig im Wassersektor aktiven UN-Institutionen. Mit Hilfe der Dekade sollen weltweit Entscheidungsträger und die breite Öffentlichkeit für Wasserthemen sensibilisiert und darauf hingewirkt werden, dass bereits getroffene Vereinbarungen auch in die Wirklichkeit umgesetzt werden. Ziel ist es, bis 2015 die Anzahl der Menschen zu halbieren, die keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser und zu angemessener sanitärer Versorgung haben. Auch sollen all diejenigen Wassernutzungsformen beendet werden, die nicht nachhaltig sind. Dafür wird beispielsweise der Zugang zu sanitären Einrichtungen gefördert, der Wasserverschmutzung entgegen gewirkt und ein integriertes Wasserressourcenmanagement eingeführt.

Recht auf Wasser

1,4 Mill. Menschen haben keinen Zugang zu ausreichender Wasserversorgung, 2,4 Mill. sind ohne sanitäre Anlagen. Für das Jahr 2000 hatte sich die Weltgemeinschaft verpflichtet, mehr Menschen den Zugang zu Trinkwasser und Sanitärsystemen zu gewährleisten.

Weltwasserforum

Das Weltwasserforum findet alle drei Jahre statt und beschäftigt sich mit Fragen der weltweiten Wasserversorgung und des Wassermanagements.
Zum ersten Weltwasserforum trafen sich 1997 auf Initiative des Weltwasserrats (World Water Council, WWC) Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft in Marrakesch. Ziel dieser Konferenz war es, sich über Maßnahmen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Wasserressourcen zu einigen. Die Teilnehmer beauftragten den Weltwasserrat damit, eine "Vision für Wasser, Leben und Umwelt für das 21. Jahrhundert" zu entwickeln.


UN-Tagungsraum. Foto: H. Hesterr (CC)

Washington Consensus

Der von dem Ökonomen John Williamson 1990 geprägte Begriff „Washington Consensus“ nennt wirtschaftspolitische Maßnahmen, die in der Folge der Schuldenkrise 1982 in Lateinamerikas von den in Washington ansässigen Organen empfohlen wurden. Die 1980er Jahre, die als ‚verlorenes Jahrzehnt’ für Lateinamerika gelten, machten deutlich, dass deren Politik der wirtschaftlichen Abschottung gegenüber dem Ausland – die sich vor allem in der Idee einer Industrialisierung durch Import-Substitution widerspiegelte – nicht zu Wirtschaftswachstum und höherer Prosperität führten.
Williamson nennt zehn Grundsätze für Wirtschaftsreformen in Lateinamerika:


1. Fiskalische Disziplin etablieren

2. Prioritäten bei öffentlichen Ausgaben im Bereich von Bildung und der medizinischen Grundversorgung setzen

3. Besteuerung einer möglichst breiten Basis bei moderaten Spitzensteuersätzen durchführen

4. Positive heimische Zinssätze etablieren, um einer Kapitalflucht vorzubeugen.

5. Niedrigen Wechselkurs der heimischen Währung schaffen, um Exporte zu begünstigen.
6. Handelsliberalisierungen vornehmen

7. Ausländische Direktinvestitionen anregen

8. Privatisierungen von Staatsbetrieben durchführen

9. Wirtschaft deregulieren

10. Einhaltung von Eigentumsrechten garantieren.

Insbesondere der achte Punkt eröffnete die Möglichkeit zur Privatisierung der der Wasserversorgung in Lateinamerika.


Siehe: Williamson, John (1990): „What Washington Means by Policy Reform“. In ders. (Hg.):Latin American Adjustment: How much has happened?, Washington, DC: Institute for International Economics, S. 7-20.


Washington. Foto: Dash'D Photography (CC)

Water Makes Money. Foto: watermakesmoney.org

„Water makes Money“

Der unter der Regie von Leslie Franke und Herdolor Lorenz hergestellte Film „WATER MAKES MONEY. Wie private Konzerne mit Wasser Geld machen“ war 2012 für den deutsch-französischen Journalistenpreis nominiert und wurde von Wasserkonzernen juristisch und politisch bekämpft. Er thematisiert sie Aktivitäten der französischen Konzerne Veolia und Suez auf dem Weltmarkt der privaten Wasserversorgung. In Frankreich aber, wo private Konzerne fast 80 Prozent der Bevölkerung mit Wasser versorgen, schwindet das Vertrauen in die privaten Versorger. In Paris mussten 2010 Veolia und Suez die Wasserversorgung an die Stadt zurück geben. Aufgrund von unkorrekten Abrechungen, mangelhaft ausgeführten Reparaturen, sinkender Wasserqualität und stetig steigenden Preisen wird auch in Frankreich die Rückkehr zur kommunalen Wasserversorgung angestrebt.

Der laufende Prozess

Saal Nummer 17 war bis auf den letzten Platz besetzt. Was sich im Laufe der siebenstündigen Verhandlung im Prozess gegen den Film „Water Makes Money“ entwickelte, hatte niemand erwartet: Der Strafprozess gegen den französischen Filmvertrieb und den Protagonisten Jean-Luc Touly wurde zu einem politischen Tribunal gegen private Wasserkonzerne: > weitere Berichterstattung im EMSCHERplayer

Referendum „right2water“.

Als Petition gegen Wasserprivatisierung hat die gemeinschaftlich in mehreren europäischen Ländern 2012 initiierte Bürgerbewegung „right2water“innerhalb kurzer Zeit mehr als 2,5 Millionen Unterschriften gesammelt. Dies hat dazu geführt, dass Wasser aus der geplanten EU-Konzessionsrichtlinie ausgeklammert wurde. Damit bleibt die lebenswichtige Ressource vor dem Ausverkauf an Konzerne wie Violia, Suez-GDF und Nestlé geschützt.
> right2water.eu

Wasser ist ein Menschrecht. Foto: right2water.eu

Wissenswertes


Keine Chance auf frisches Wasser - Slum Realities. Foto: Wolfgang Sterneck (CC)

Fakten

- 1.4 Mrd. Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser

- 2.2 Mio. Menschen sterben jährlich durch verunreinigtes Trinkwasser

- Im Laufe des 20 Jahrhunderts hat sich der Wasserverbrauch versechsfacht

- Pro Jahr steigt der Wasserverbrauch um 2-3%.

Nationaler Wasser-Fußabdruck

Der Wasser-Fußabdruck eines Landes umfasst die Gesamtmenge an Wasser, die für die Produktion der Güter und Dienstleistungen benötigt wird, welche die Bevölkerung dieses Landes in Anspruch nimmt. Da nicht alle Güter in diesem Land produziert werden, berücksichtigt der Wasser-Fußabdruck sowohl einheimische Wasservorkommen als auch den Wasserverbrauch außerhalb der Landesgrenzen. Der Wasser-Fußabdruck Chinas beträgt etwa 700 m³ pro Kopf und Jahr, aber nur rund 7 % des chinesischen Wasser-Fußabdrucks entstehen außerhalb des Landes. Im Unterschied dazu beträgt der Fußabdruck Japans 1150 m³ pro Kopf und Jahr; etwa 65 % des gesamten Wasser-Fußabdrucks fallen außerhalb des Landes an.
Man kann sich auch seinen persönlichen footprint mit Hilfe eines „Water Footprint Calculator“ berechnen lassen. Er errechnet, dass einem Direktverbrauch von 124 l Wasser / Tag eine Menge von 4075 l /Tag virtuellen Wassers entspricht.
> lohas-guide.de
> waterfootprint.org

Gemeingut Wasser

Da der Mensch von Natur aus auf Wasser angewiesen ist, gilt es als Gemeingut. Es sollte also nicht überraschen, dass das Gewinnstreben von Wasserkonzernen über kurz oder lang in Widerspruch zum Gemeininteresse gerät. Gefördert durch internationale Finanzinstitute und neoliberale Haushaltspolitik, haben Global-Player wie Vivendi/Veolia, Thames Water oder RWE in den letzten Jahren die Finger nach den Wasserressourcen der Welt ausgestreckt. Neben der Attac-Gruppe Wasser beschäftigen sich auch private Bürgerinitiativen mit den offenen Fragen: www.wollt-ihr-wissen.de

Privatisierung verteuert

Im Februar 2011 stimmten die Berliner im dritten Volksentscheid seit 2008 darüber ab, dass alle Vertragstexte und Nebenabsprachen zum Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe im Jahr 1999 offengelegt werden. Der Senat stellte dazu mehr als 700 Seiten der Verträge ins Netz. Sie zeugen davon, dass den privaten Käufern in den vergangenen zehn Jahren deutlich mehr Gewinne zugeflossen sind als dem Land als Mehrheitseigner. Unklar bleibt hingegen, wie die ungleiche Gewinnverteilung berechnet wird. Fest steht aber: Seit 1999 sind die Berliner Wasserpreise um 35 Prozent gestiegen.

Virutelles Wasser

Wasser ist keineswegs immer "nass".
Eine große Menge der kostbaren, wenn auch oft zu gering geschätzten Flüssigkeit ist versteckt in Nahrungsmitteln, Kleidungsstücken oder Haushaltsgegenständen.
Denn bei der Herstellung zahlreicher Produkte werden enorme Mengen Wasser verbraucht. Lassen wir in Deutschland pro Kopf und Tag ca. 130 Liter H2O aus den Hähnen fließen, so ist diese Menge im Vergleich zum Verbrauch durch täglich genutzte Lebensmittel und Kleidung eher gering: 4000 Liter werden hierfür benötigt. Zwar verschwindet dieses Wasser nicht, doch es wird verschmutzt. Der Aufwand der Reinigung und Rückführung in den Kreislauf ist hoch und wird bei der Wertschätzung von Produkten kaum berücksichtigt.


Weiterlesen? Foto: Thomas Rössler (CC)

Interessante Bücher zum Thema

- Barlow M., Clarke, T., Blaues Gold, das globale Geschäft mit dem Wasser, 2003

- Dobner, P., Wasserpolitik, Zur politischen Theorie, Praxis und Kritik globaler Governance, 2010

- Feist, S. (Hrsg.), Weltmacht Wasser, Weltreporter berichten, 2009

- King J., Black, Maggie, Der Wasseratlas, 2009
- Krämer, T., Kampf ums Wasser, Wissen was stimmt, 2008

- Loewe J., Das Wassersyndikat, 2007
- Mauser, W., Wie lange reicht die Ressource Wasser? 2007

- Pearce, F., Wenn die Flüsse versiegen, 2007

- Shiva, V., Der Kampf um das blaue Gold, 2005.

- Metropolitan Consulting Group (2006): Pressemitteilung VEWA – Vergleich Europäischer Wasser- und Abwasserpreise. Berlin.

- Gleick, Peter H., (Hg:) (2004): The World's Water 2004-2005. The Biennial Report on Freshwater Resources. Washington D.C.

- Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (Hg.) (2006): Bericht über die menschliche Entwicklung 2006. Nicht nur eine Frage der Knappheit: Macht, Armut und die globale Wasserkrise.

Filme

- Bozzo, Sam, Blaues Gold. Der Krieg der Zukunft, 2008, 87 Minuten

- Soechtig/Lindsag, Abgefüllt, 2009, 75 Minuten

- Bottled Life, Arte 11.9.2012, eingestellt in You Tube

- Franke, L., Lorenz, H., Water makes money, 2010

- > prezi.com

- > reset.org


River of Gold. Foto: J. Housiel (CC)