EMSCHERplayer // Magazin // Heimat und Lebenswelten // Ordnung im Hinterhof
Große Agglomerationen wirken schnell unübersichtlich, besonders dann, wenn ihnen ein Orientierung vermittelndes Zentrum fehlt. So erscheint dem Besucher des Ruhrgebiets die Region wie ein großes Durcheinander: Grad noch im Zentrum der einen Stadt, schon in der nächsten; hier noch Schwerindustrie, dort schon Grün. Die schnelle Abfolge verschiedener Nutzungen lässt den Eindruck einer ungeordneten Region entstehen. Das Zwischenstädtische der Region hat aber auch Vorteile und bietet Ansatzpunkte für eine veränderte Urbanität.
Die heutige Stadtlandschaft ist das Ergebnis eines historischen Prozesses, nämlich des Industrialisierungsprozesses, der klaren Erwägungen folgte, der aber kein klares, das heißt im klassischen städtebaulichen Sinn geordnetes Stadtbild hervorbrachte – das war ja auch nicht das Ziel. Aus der Sicht der treibenden Kraft, der Industrie, war der gesamte Raum durchplant und organisiert: Er war auf Funktionieren und Wirtschaftlichkeit ausgerichtet. Das dichte Eisenbahnnetz, welches die Region durchzog und den Alltag prägte, ist dafür ein gutes Beispiel. Alltagsweltlich wahrnehmbar war dies in der Regel nicht. Das Verbundsystem Montanindustrie mag abstrakt bekannt gewesen sein, erfahrbar war es nur selten. Der Blick auf die Region als Ganzes war kaum möglich.
Der Eindruck der Unordnung löst sich auf, wenn man einen anderen Standpunkt einnimmt. Aus dem Flugzeug lässt sich die Region großräumiger erfassen: Wasserstraßen fallen farblich besonders auf, die letzten, flächigen Anlagen der Großindustrie, die Bänder der Autobahnen, das viele Grün, die Siedlungsgebiete, auch die Brachen. Von oben betrachtet hat das Ruhrgebiet eine andere Geographie. Besonders in der Nacht ist die Region dank der vielen Lichter als zusammenhängender Raum zu erkennen. Dafür muss man nicht völlig in die Luft gehen: Auch die Halden und Landmarkenstandorte ermöglichen schon einen guten Überblick. Die kleinräumigen Differenzen und Brüche werden auch hier zugunsten der Gesamtschau ausgeblendet. Das ist wichtig für die Erfahrung der Zusammengehörigkeit der Region, auch entlastend vom Klein-Klein des Alltags. Aber der ist ästhetisch spannender, was jede Fahrt über eine der großen städteverbindenden Ausfallstraßen deutlich macht. An ihnen zeigt sich die Eigenart der Region in einer Weise, die zwischen Scheußlichkeit und Großartigkeit schwankt.
Seitdem Heinrich Böll schrieb, das Ruhrgebiet sei noch nicht entdeckt worden, hält sich für die Bewohner die Hoffnung auf Anerkennung der Schönheit der Region, auf Gerechtigkeit in der Bewertung ihrer ausgeprägten Gestalt. Diese Sehnsucht hat sich in über 50 Jahren nicht abgenutzt; wahrscheinlich ist sie eher gewachsen, weil der Imagewandel mit den realen Veränderungen nicht Schritt gehalten hat. Doch eine gänzlich klischeefreie Darstellung des Ruhrgebiets wird es so schnell nicht geben – und die Stadtlandschaft selbst ist ja an allzu vielen Ecken materialisiertes Klischee: Die Kreuzungen der großen Ausfallstraßen, die Freizeitvergnügungen im Industriegewirr entlang des Rhein-Herne-Kanals, die bewachsenen Industriebrachen zwischen karg-schlanken Birkenwäldchen und Beerensträuchern. Wer über die zu Radwegen bestens ausgebauten alten Eisenbahntrassen fährt, bekommt einen Intensivkurs Ruhrgebiet im Schnelldurchlauf. Ob in Castrop-Rauxel, Oberhausen oder Duisburg: Die Ansichten von den Bahndämmen zeigen Pracht und Bizarres des Industriereviers.
Unabhängig von der ästhetischen Bewertung sind die meisten von diesem Anblick doch fasziniert, sie lassen sich von der seltsamen Gemengelage in den Bann ziehen. Der Widerspruch des Erblickten zur Fünf-Millionen-Einwohner-Großstadt-Realität des Ruhrgebiets ist zu groß: das ist die kritische Deutung der Reaktion. Die Begeisterung für das Gesehene ist noch größer: das ist die enthusiastische Lesart.
In der Emscherregion wird die Kleinteiligkeit zum Erlebnis, wenn die Siedlung endet und plötzlich Äcker und Weiden vor einem liegen, wenn man recht unvermittelt vor grasenden Pferden steht, dahinter ein alter Hof und am Horizont doch schon wieder Schornsteine. Dann erkennt man die Vorteile und den Gewinn an Lebensqualität, der sich aus der raschen Abfolge verschiedenster Nutzungen ergibt. In der Emscherzone braucht es kein langes Hinausfahren, um Grün zu erleben. Es sind allerdings oft keine großen oder aufwändig angelegten Landschaftsflächen, keine Parks als stummen Zeugnisse früherer Herrschaft, sondern Flächen mit Begleitgrün, Restgrün, Übergangsgrün, Nachfolgegrün.
Industrielle Relikte wurden meist vorbildlich integriert. Kaum noch vorstellbar, dass bis vor weniger als 20 Jahren das Abräumen und Verschwinden-Lassen der Bauten der Industrie die gängige Praxis war.
Mit dem Wandel im Umgang mit den Hinterlassenschaften hat sich eine Ästhetik herausgebildet, die vorher Gegensätzliches zusammenführt: Stadt und Land, das Gestern und die Gegenwart und dennoch – im besten Falle – Freiraum für Neues lässt. Das ist eine ein Element von Urbanität, das vielleicht weniger offensichtlich, aber nicht minder eindrucksvoll ist.
Historiker prägten für das Ruhrgebiet Begriffe wie „Revier der großen Dörfer“ (Detlev Vonde) oder „Verspätete Stadt“ (Heinz Reif über Oberhausen). Sie verweisen damit auf die Besonderheiten bei den historischen Bedingungen der Stadtentwicklung. Vor allem die Städte der Emscherzone entsprechen kaum dem Modell der europäischen Stadt mit Zentrum, Ring und Umland. Daraus ergibt sich die heute noch sicht- und spürbare Charakteristik der Stadtlandschaft des Ruhrgebiets. Mit dem Rückzug der Montanindustrie boten sich aber immer mehr Möglichkeiten für Kompensationsstrategien. Zunächst versuchten viele Städte, eine nachholende Urbanisierung zu betreiben, indem sie haben wollten, was andere Städte ausmacht. Erst in den 1990er Jahren besann man sich stärker auf das Eigene – auf das Eigene der Geschichte und ihrer Hinterlassenschaften vor allem.
Industriekultur bietet seitdem nicht nur die Kulisse für zahlreiche Veranstaltungen und Aktivitäten, sie gilt fast als Zauberformel für die kreativwirtschaftliche und touristische Entwicklung. Darin liegt womöglich eine Überstrapazierung, aber es führt zur Bündelung von Ideen und Entwicklungsperspektiven. In Oberhausen setzte man aus Elementen postmoderner Stadtentwicklung – Arena, Multiplexkino, Shopping Mall, Musicaltheater und weiteren Entertainment-Einrichtungen wie einem Sea-Life-Center – die so genannte „Neue Mitte Oberhausen“ zusammen. In direkter Nachbarschaft wiederum liegt das Besucherzentrum für den Emscher Landschaftspark, von wo aus man mit Leihrädern dessen Grünzüge erkunden kann. Die Gleichzeitigkeit und räumliche Nähe verschiedener Nutzungen und Raumqualitäten intensiviert sich. Urbanität als Atmosphäre ganzer Viertel ist aber nach wie vor selten und eher temporär zu spüren. Lediglich einzelne Orte, von denen es mehr als früher gibt, bieten Bauten, Erlebnisse und Stimmungen, die man als urban bezeichnen kann – etwa der Duisburger Innenhafen oder der Westpark Bochum.
Aber: das Denken und Planen der Stadt von der Landschaft aus hat Konjunktur, wie sich etwa an der Ausstellung zum Thema „Wiederkehr der Landschaft“ in Berlin ablesen lässt. Hier wird dafür plädiert, die Stadt des 21. Jahrhunderts aus der Landschaft heraus zu entwickeln und die nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen mit hohem ästhetischen Anspruch zu verbinden. Weil die unabhängig von der Landschaft gebaute Stadt des 20. Jahrhunderts ökologisch betrachtet ein Desaster ist, braucht es Gestaltung und Sanierung von Landschaften, die neue räumliche und soziale Gefüge in der Stadt entstehen lassen.
Die Emscherzone war lange Zeit so etwas wie der Hinterhof des Ruhrgebiets, weil in ihr die Spuren von Industrialisierung und Deindustrialisierung deutlicher und länger zutage traten als in der Hellweg- oder der Lippezone. In den Fotografien von Albert Renger-Patzsch aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird die frühe stadträumliche Situation anschaulich. Renger-Patzsch bewegte sich für seine Aufnahmen jahrelang jenseits der Innenstädte, also in den Gebieten, die schon gründlich industrialisiert, aber noch wenig verstädtert waren, in denen Kontraste vorherrschten, die sich aus dem Nebeneinander von landwirtschaftlichen und industriellen Nutzungen ergaben, von bäuerlichen Höfen und Werkssiedlungen, vielfach durchzogen von den Gleisen der Eisenbahn. Des Fotografen Objekt war nichts anderes als das Gebiet, welches heute als selbstverständlicher Teil der Städte angesehen wird, aber zu einem großen Teil unter einen Begriff fällt, der die strukturelle Ambivalenz, die immer noch besteht, sinnfällig macht: Zwischenstadt.
Bis zum Beginn der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA) stand die Emscherzone sinnbildlich für alles, was dem Revier insgesamt negativ anhaftete. Während die Schwächen der Emscherregion gegenüber der Hellwegzone im Sozialen, gemessen etwa an Bildungsabschlüssen, bisher nicht abgebaut werden konnten, hat sie im Bereich Ökologie und Landschaftsgestaltung längst eine Vorreiterrolle übernommen. Der Emscher Landschaftspark mit seiner charakteristischen Industrienatur und der Emscherumbau sind bedeutende Projekte einer Planung, die den Stadtraum von seiner Landschaft aus neu denkt.
Für das Ruhrgebiet kann dies eine Umkehrung seiner Zentralität bedeuten: Vom marginalisierten und gemiedenen Raum des Emscher-Abwasserkanals zum Neuen Emschertal, an dem Wohnen und Freizeit dank der Umgestaltung realistische Optionen werden. Die symbolische Wirkung ist immens: Der Teilraum, der maßgeblich für das schlechte Image der Gesamtregion verantwortlich war, stellt nun positive Bilder her, die ihrerseits für die Gesamtregion stehen. Fachleuten weltweit ist diese Leistung bewusst: Lernen von der IBA und dem Ruhrgebiet ist ein Anliegen.
Die Region aber schaut auf der Suche nach Lösungen gern noch nach draußen. Erst in jüngster Zeit gibt es mit der „InnovationCity Ruhr“ wieder ein originäres Projekt. Es wäre wegen der Vorleistungen konsequent, diesen ökologischen Modellstadtteil in der Emscherzone zu realisieren. Hier könnte er die größten, nicht nur symbolischen Wirkungen entfalten. Das Projekt kommt zur rechten Zeit: Die in den vergangenen Jahrzehnten gewachsene Struktur der Zwischenstadt ist in naher Zukunft großen Herausforderungen ausgesetzt, wobei sich bei Städten kurzfristig nur wenig ändern lässt. Eine abnehmende Bevölkerung auf derselben Fläche verschlechtert nicht nur die Ökobilanz, sie hat auch massive ökonomische Auswirkungen etwa bei den Infrastrukturauslastungen. Doch ein rigides „Zurück zur kompakten Stadt“ wird sich nicht überall durchsetzen lassen und wäre auch nicht automatisch vorteilhafter. Die Lösungen werden eher kleinräumig ausfallen müssen. Wichtig erscheint, die Qualitäten der Zwischenstadt nicht zu vergessen, etwa das Angebot von Freiräumen. Ihre Anpassungsfähigkeit kann, Hand in Hand mit behutsamer Gestaltung, dazu beitragen, auch die sozioökonomischen Veränderungen abzufedern und zu bewältigen.
Autor: Dr. Achim Prossek, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Raumordnung und Planungstheorie an der Fakultät Raumplanung der TU Dortmund.
PDF anzeigenFoto: © "Frollein2007" bei Flickr.com
Der Begriff für eine Stadtstruktur, die nicht mehr der klassischen Stadt entspricht, aber eben so wenig dem Land, wurde 1997 von Thomas Sieverts etabliert. Die „Zwischenstadt“ geht mit ihrer Infrastruktur, ihrer Nutzungsvielfalt und -mischung, vor allem aber ihrer Eigenständigkeit über den Vorort hinaus. Es ist der Stadtstrukturtypus, in dem heute ein Großteil der Bevölkerung lebt. Der relativ hohen Zufriedenheit der Bewohner stehen planerisch-architektonische Vorbehalte entgegen, die sich gegen den Flächenverbrauch und gegen die Gestalt richten.
Seit 1989 wird in der Emscherzone der Emscher Landschaftspark entwickelt, ein Freiraum eigenen Typs, der industrielle Relikte integriert wie auch eine eigene Gestaltung: die so genannte Industrienatur. Es ist ein Verbundsystem, welches einen zusammenhängenden Freiraum über die gesamte Breite des Ruhrgebietes schafft. Mittlerweile beträgt die Gesamtfläche 457 km², was ein besonderes Problem bedeutet : die aufgrund der zersplitterten Struktur relativ schwierige individuelle Erfahrbarkeit des Parks. Dies markiert den Unterschied zu berühmten Parks in anderen urbanen Zentren, ob zum Englischen Garten in München oder zum Central Park in New York. Es ist ein innovatives Landschaftsmodell, das die Planer vom Regionalverband Ruhr als „Stadtpark des 21. Jahrhunderts“ bewerten.
Der Fotograf Hans Blossey fotografiert seit 1983 das Ruhrgebiet und seine strukturellen Veränderungen aus der Luft und schafft damit neue Sichtweisen auf die Region als Ganzes. Seine Fotos sammelt er in einem stetig wachsenden Bildarchiv, das faszinierende Blicke ermöglicht und spannende Detail- und Gesamtansichten nicht nur für Außenstehende, sondern auch für Einheimische bereithält: www.luftbild-blossey.de.
(Foto: Emscherinsel zwischen Rhein-Herne-Kanal und Emscher mit der ehemaligen Kläranlage Herne, © Hans Blossey)
Vom Frankfurter Architekturbüro Albert Speer und Partner stammt ein „Ruhrplan“, der so manchem im Ruhrgebiet vor den Kopf stoßen dürfte: Da die Städte im Ruhrgebiet keine gleichmäßigen Entwicklungschancen haben, soll eine Unterteilung in „echte Zentren“ und Randbezirke, bzw. „marginalisierte städtische Räume“ (z.B. Gelsenkirchen und Herne) erfolgen. Es soll nicht länger jede Stadt versuchen, in allen ökonomischen und kulturellen Bereichen Fuß zu fassen und jeden Bedarf für sich abzudecken, dem Schrumpfen im Revier soll vielmehr mit Verzicht begegnet werden.
Obwohl bereits klar ist, dass die Pläne Speers so nicht in die Tat umgesetzt werden, sorgen sie dennoch für Diskussionen. Wenn die Bevölkerung weiterhin schwindet und die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit für die Zukunft des Ruhrgebiets wächst, wird ein derartiger Planungsprozess möglicherweise unvermeidbar sein. Und dann könnten Speer und Partner, die in Köln und Frankfurt bereits ähnliche Projekte durchgeführt haben, diesen Planungsprozess begleiten. Interesse haben sie bereits bekundet.
Mehr zu diesem Thema unter www.ruhrbarone.de/speers-ruhrplan.
Im Jahre 1912 verfasste der Essener Stadt-Beigeordnete Robert Schmidt einen ersten übergeordneten Plan zur Nutzung der Flächen im Ruhrgebiet. Die von den Städten des Regierungsbezirks in Auftrag gegebene Arbeit sollte lediglich Vorschläge zur Planung eines „Nationalparks“ aus den Städten Düsseldorf, Dinslaken, Essen und Elberfeld-Barmen enthalten, der zur Erhaltung und Schaffung von Grünflächen dienen sollte. Tatsächlich ging Schmidt weit darüber hinaus, indem er das gesamte Gebiet zwischen Emscher und Ruhr als zusammenhängende Region begriff und neben den Grünflächen auch Bebauungs- und Siedlungsprobleme thematisierte. In seiner Dissertation kritisierte er die unkoordinierte Ansiedlungspolitik nach privaten und lokalen Interessen und sprach sich für die Bildung eines freiwilligen Interessenverbands aus, der sich dem Schutz der Grünflächen vor Bebauungen widmen sollte. 1920 wurde der erste Raumordnungsverband auf regionaler Ebene, der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (SVR) gegründet, der die Möglichkeit hatte, in Planungsvorhaben der Kommunen einzugreifen. Direktor wurde Robert Schmidt. 1979 ging aus dem SVR der Kommunalverband Ruhrgebiet hervor (heute Regionalverband Ruhr).
(Foto: Emscher bei Recklinghausen, © Reinhard Felden)
Die Berliner Akademie der Künste zeigt bis 30. Mai 2010 die interdisziplinäre Ausstellung „Wiederkehr der Landschaft“, die von zahlreichen Veranstaltungen begleitet wird. Angesichts des Klimawandels ist der Zusammenhang von Städtebau, Ökologie und Kultur von aktueller Brisanz. Die dreiteilige Ausstellung macht die Landschaft im Kopf zum Thema, diskutiert am Beispiel von Venedig und Las Vegas zwei unterschiedliche Stadt-Konzepte und fragt nach der Zukunft des Städtischen. Sie bildet den Auftakt zu einem mehrmonatigen Schwerpunkt zu den Themen Landschaft und Architektur.
(Foto: Umgestalteter Bachlauf der alten Emscher in Duisburg,
© Emschergenossenschaft)
Wie können große gesellschaftliche Ereignisse zur Entwicklung zeitgemäßer städtebaulicher Konzepte beitragen und als Motor für Metropolen genutzt werden? Das war die zentrale Frage der 8. Internationalen Architekturbiennale in Sao Paulo Ende 2009 mit dem Motto ECOS Urbanos / Urban Echoes. Im Mittelpunkt standen aktuelle Aufgaben und Strategien zur Stadtentwicklung in urbanen Kontexten, wobei der Masterplan Emscher-Zukunft in der Rubrik ECOSCAPES besonderes Publikumsinteresse auf sich zog. Laut der Veranstalter sind die geplanten Maßnahmen zur gewässerökologischen Neustrukturierung, die Entwicklungsperspektiven für die gesamte Region beinhalten, ein gelungenes Beispiel für zeitgemäße Stadt- und Landschaftsplanung: „Als anpassungsfähige, flexibel agierende und reagierende Planungsplattform dient der Masterplan Emscher-Zukunft dem Dialog aller Beteiligten, der Konsensfindung und schafft Impulse für neue Projekte. Die Neue Emscher wird durch den Umbau zum räumlichen Bindeglied, zum Identitätsträger und Identitätsvermittler für eine ganze Region. Das Vorhaben zeigt, welche großen Chancen sich über den Wandel zu einem attraktiven Flusstal hinaus mit der Vision einer verbindenden und ökologisch orientierten Planung für die Zukunft eröffnen.“
Die vom Initiativkreis Ruhr entwickelte Idee sieht vor, in den kommenden Jahren ein Energiespar-Viertel im Ruhrgebiet zu errichten. Hier sollen etwa 50.000 Menschen in Wohnungen mit moderner Wärmedämmung, mit umweltschonender Energieversorgung in einem Stadtviertel wohnen, in dem Elektroautos dominieren und in dem der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid gering ist. Am 22. März 2010 begann der Ausschreibungsprozess für interessierte Städte und Gemeinden.
Von 2002 bis 2005 befasste sich das von der Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung geförderte „Ladenburger“-Kolleg mit der Struktur und den Potenzialen der Zwischenstadt. Das Kolleg war mit 12 Forscherinnen und Forschern interdisziplinär angelegt. Das Ziel war, Analysen, aber vor allem Handlungskonzepte für den gestalterischen und planerischen Umgang mit der Zwischenstadt zu finden. Die Beispielregion war Rhein-Main. Die neunbändige Buchreihe „Zwischenstadt“ informiert über alle Ergebnisse. Siehe www.zwischenstadt.net.
Um nachhaltig Anstöße für eine urbane Struktur und Gesellschaft im Ruhrgebiet zu geben, hat die RUHR.2010 GmbH in Zusammenarbeit mit der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) eine "Charta Ruhr" ins Leben gerufen. Diese soll als Dokument einerseits den Wandel konkret begreifbar machen und Empfehlungen für eine Metropolentwicklung geben, andererseits aber auch ein interaktives Projekt sein, das im Internet ab Ende Mai verfügbar sein wird und im Stile Wikipedias von Benutzern ergänzt und verändert werden kann. Bei der DASL-Jahrestagung vom 7. bis 9. Oktober wird dann die Endfassung des interaktiv entstandenen Dokuments im Dortmunder U verabschiedet.
Die aktuelle Fassung sowie weitere Hintergrundinformationen können Sie auf der Homepage der Kulturhauptstadt nachlesen.